Tech-Talk Teil2

28.01.2019

Nachdem es bei dem letzten Beitrag um ein sehr "greifbares" Thema ging, gehen wir jetzt etwas weiter in die physikalische Tiefe. Sofern ein "richtiger" Physiker die folgenden Zeilen liest, habe Nachsicht! Ich versuche ein sehr komplexes Thema verständlich zu machen, da geht manches einfach verloren.

Sofern du kein Physiker bist, dann gibt's jetzt ein paar physikalischen Erklärungen, die für uns im Kitesport wichtig sind.

Gleitzahl:

Mit der Gleitzahl lassen sich die unterschiedlichen Profile/Flugkörper untereinander vergleichen. Definiert ist die Gleitzahl (Formelbuchstabe E) als "Verhältnis von blablabla laaangweilig". Okay, verständlich: Je größer die Gleitzahl, desto weiter fliegst du. Wir stellen uns vor, wir stehen auf dem Main-Tower (200m hoch). Jetzt ist absolute Windstille und wir werfen einen Papierflieger runter. Dieser wird einige Meter am Ende zurückgelegt haben. Jetzt wollen wir hinterher und springen hinterher, natürlich mit geöffnetem Gleitschirm. Also segeln, besser gleiten, wir den Tower hinunter und kommen irgendwo weiter weg auf dem Boden auf. Und schon haben wir verstanden, was die Gleitzahl ist. Ein Papierflieger ist ein denkbar schlechtes Flugobjekt, ein guter Gleitschirm dagegen natürlich top. Was für uns jetzt wichtig ist: Mehr Gleitzahl = Mehr Leistung.
Genaue Gleitzahlen werdet Ihr aber auf den Seiten der Hersteller von Paraglidern nicht finden dürfen, da die Gleitzahl auch vom benutzten "Geschirr" abhängt, sowie dem Gewicht des Piloten etc. Diese also anzugeben, wäre unseriös.

Ihr könnt ja mal schauen, wie die Gleitzahlen untereinander sich verhalten: Klick.

Profil:

Mit dem Thema "Profil" steigen wir in das heikelste Thema bei der gesamten Flugphysik ein. Um es kurz zu definieren, das Profil ist die Form des Querschnitts des Kites/Flügel. Da Ihr vermutlich keine Lust habt, ein Physikstudium zu absolvieren, beschränke ich mich auf die Grundbegriffe, die Euch im Kitegespräch begegnen können. Zur Beschreibung der Arten von Profilen brauchen wir zwei Schlüsselbegriffe: Der erste ist die Profilsehne, also die direkte, gerade Linie im Querschnitt von "Anströmkante" zur "Abströmkante". Der zweite Schlüsselbegriff ist dabei die Skelettlinie, welche quasi den Mittelpunkt zwischen "Ober- und Untersegel" darstellt. Interessant ist nun der Unterschied von der Skelettlinie zur Profillinie. Ist dieser z.B. nicht vorhanden, also ist die Skelettlinie gleich der Profilsehne, so spricht man von einem symmetrischen Profil. Diese Profile erzeugen Auftrieb und Abtrieb in gleichem Maße, sind quasi neutral. Man nutzt sie z.B. an Rudern (Schiff/Flugzeug) oder als "Verkleidung". Das ist auch der Grund, warum die Türme von Windkraftanlagen IMMER rund sind. Ein Kreis ist ein denkbar einfaches symmetrisches Profil.

Oft fällt der Begriff eines "S-Schlag-Profils". Dabei kreuzt die Skelettlinie die Profilsehne im hinteren Bereich des Flügels. Nicht wirklich spannend. Spannend wird es erst, wenn man die Auswirkungen dieses Profils versteht. Um wieder die ganze Physik des Drehmoments zu umgehen, merkt Euch einfach: Ein S-Schlag-Profil kann sich selbst stabilisieren. Diese Profile sind im Flug langsamer, aber vergleichsweise unempfindlich gegenüber Strömungsänderungen (für uns: Böen).

Drehen wir dieses Profil jetzt einmal um und legen den Schnittpunkt von Skelett mit Sehne weiter gen Anströmkante, so nennt man das Profil nun "superkritisch" oder "transsonic". Diese Profile ermöglichen aufgrund recht komplizierter Strömungsphysik einen Überschallflug, weshalb diese Profile auch recht neu sind. Diese Profile sind aber auch im "Unterschallbereich" vergleichsweise sehr schnell.

Für uns wichtig bleibt die Tatsache, dass ausgeprägte S-Schlag-Profile eigenstabil fliegen (können), sodass diese Kites für böige Bedingungen geeigneter sind als andere. Woran Ihr das erkennen könnt? Indem Ihr Eure Matte mal umkrempelt und mal die "Zwischenwände"/Rippen untersucht.

Soweit der trockenste Teil des Kitens. Das nächste Mal wird's wieder anschaulicher, versprochen.


Die Skizzen sind von ILA-boy - Eigenes Werk, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4391074

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