Konstruktionsraffinessen

27.02.2019

Der Konstrukteur Tech Talk geht weiter:

Im ersten Tech-Talk wurden gewisse Konstruktionsdetails bereits erwähnt und grob umschrieben. Jetzt soll es nochmal darum gehen, aber nochmal etwas genauer. Wir arbeiten uns dabei von der Anströmkante langsam gen Abströmkante durch.

Beginnen wir an der Anströmkante und damit der wichtigsten Zone an einem Kite. Je besser der vordere Bereich des Kites (aus-)geformt ist und damit faltenfrei ist, desto mehr Leistung bekommt der Schirm. Am einfachsten und am weitesten verbreitet sind die Rigid Foils. Das sind im Kite vernähte verstärkte Nylonfäden (keine Stäbchen, auch wenn sie als das oft bezeichnet werden), welche die Profilnase aufspannen und damit vorformen. Um die Rigid Foils zu entdecken, genügt es, den Kite einfach auszulegen, die Anströmkante wird geformt sein. Durch den beim Füllen steigenden Innendruck wird die Profilnase sauber ausgebildet und faltenfrei ausgeformt. Die Verwendung von den Rigid Foils kann mit dem sogenannten 3D-Shaping kombiniert werden, um noch bessere Ergebnisse zu erzielen. Dabei wird die Zelle an der Anströmkante in mehrere Tuchsegmente zerlegt und zusammengenäht. Dies führt ebenfalls zu einer erhöhten Glätte des Segels. Klar, mehr definierte Punkte geben eine bessere Formtreue. Und die Formtreue ist ja das Ziel der gesamten Konstruktionen.

Wenn nun die Anströmkante schön glatt und faltenfrei liegt, muss das Ballooning, damit ist das Aufblähen der einzelnen Zellen gemeint, kontrolliert werden. Dazu musst Du Dir vor Augen führen, dass beim Ballooning die Profilrippen sich einander näherkommen. Dem kann man durch Querbänder (H-Straps) und Diagonalen (V-Profile) entgegenwirken. Die gespannten H-Straps bewirken, dass die Zellen nicht zusammengezogen werden. Ähnliches machen die Diagonals auch, indem sie die Diagonale einer Zelle fest definieren, behindern sie das Ausdehnen der Zelle und übertragen zugleich wird die Kraft vom Ballooning in die Waagegeometrie und letztendlich auch auf den Kiter. Diese Verstärkungen sind meist im Gegenlicht sehr gut zu sehen (beim Flysurfer Soul sieht man eine solche Konstruktion durch das dünne und fast transparente Tuch sehr gut). Hier gibt es unglaublich viele Variationen, sodass es wenig Sinn ergibt, jetzt hier das ganze noch genauer zu beleuchten. Grundsätzlich gilt aber, je besser der Kite intern abgespannt wird, desto steifer wird der gesamte Flügel und desto mehr Performance bekommt dieser.

Betrachtest Du die Softkites auf dem Obersegel, bildet sich manchmal eine Knickfalte aus. Diese Falte kommt durch das Anbremsen des Profils (zu Deutsch: Anpowern). Auch hier gibt es viele Möglichkeiten, diese Knickfalte zu reduzieren und eine saubere Segelklappe zu formen. Eine Möglichkeit ist, ähnlich wie bei den Rigid Foils an der LE, Nylonfäden über der C-Ebene im Obersegel zu vernähen. Hier heißen die dann C-Wires. Diese können einfach am Übergang der Rippe zum Obersegel vernäht werden, oder aber in Wellenform auf die Profilrippen genäht werden. Ersteres ist aber die einfachere und häufigere Variante. Weiterhin stellt die Verwendung von einem hochdehnungsarmen Spanngurt (wie die H-Straps) eine andere Variation dar. Dabei wird, ganz analog zu den H-Straps am Untersegel, eine Stoffbahn am Obersegel hinter der C-Ebene verwendet. Diese stabilisiert ebenfalls die Zellen und verhindert ein "knittern" im Segel.

An der Abströmkante findet man bei den meisten Race-Kites verdoppelte Zellen bzw. nochmal kurze Rippen, die sogenannten Miniribs. Diese können das Ballooning an der Abströmkante nochmals verbessert kontrollieren, da die Strömungen an der TE sich wieder vereinen. Je sauberer diese zusammengeführt werden, desto besser für die Performance. Des Weiteren versteifen diese Miniribs die TE und sorgen für eine saubere und steifere Segelklappe beim Anpowern. Jedoch ist hier die Verwendung etwas problematisch, da nicht sicher ist, ob diese Konstruktion einen so großen Effekt hat oder gar störend wirkt, da diese Miniribs wirklich exakt konstruiert und vernäht werden müssen. Ein weiterer Nachteil dieser Konstruktion ist das verschlechterte Lenzverhalten des Kites, da die Drainagekanäle an den Rippen nicht zu groß ausfallen dürfen.

Du siehst, die Hersteller lassen sich eine Menge einfallen, um die Kites leistungstechnisch aufzuwerten. Viele Konstruktionen sind meist für den Alltag etwas übertrieben oder bringen mehr Nachteile als Vorteile für den Otto Normalkiter mit (siehe Miniribs). Andere, wie die Rigid Foils, helfen uns auch beim Freeriden, haben aber die ein oder andere Schwäche, welche wir uns als Pilot vor Augen führen sollten, um lange Spaß an den Kites zu haben. Aber ein sorgsamer Umgang mit dem Material sollte ja jedem ans Herz gelegt werden.

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