Kleine Matte vs . kleiner Tubekite

29.03.2019

Wie nun bisher oft erklärt, haben die Softkites bei Leichtwind wirkliche Vorteile, die will ich hier auch nicht nochmal aufzählen, dafür kannst Du ja die anderen Beträge lesen. Jetzt soll es mal um den 30kn und mehr Windbereich gehen, wo lange Zeit die Mattenkiter als verrückt erklärt wurden. Zurecht?

Um nun die Systemvorteile eines Tubekites zu verstehen, müssen wir uns zuerst den meist wehenden Wind ansehen. Wir kennen es alle, wir checken täglich Windfinder und sind total aus dem Häuschen, wenn die App grüne oder gelbe Balken anzeigt. "Endlich, es kommt Wind" denken wir uns, rufen den Tag auf und stellen - meist bedenkenlos -  fest: "Fett, 28 bis 37kn. Da kann ich ja geil 9er ballern".
Hier ist nun schon der erste Hinweis versteckt; 9kn Unterschied zwischen Grundwind und Böenmaximum. Doch, was bedeutet das jetzt etwas technischer? Dazu müssen wir, es hilft nichts, uns nochmal der Physik behelfen. Ganz vereinfacht, die Energie, die ein beschleunigter Körper hat, ist als E= 0,5 *m*v^2 definiert. Was uns jetzt interessiert, ist die Geschwindigkeit v. Diese ist die bestimmende Größe in der Gleichung, verdoppelt sich ihr Betrag so vervierfacht sich die daraus resultierende Energie!

Ähnlich ist das auch bei unserem Beispiel. Während einige bei 28kn noch locker einen 10er Kite fliegen, würden die gleichen Personen bei 37kn schon einen 8er Kite aufbauen. Das ist übrigens auch der Grund, warum es ab 30kn auf dem Wasser auch immer "ruppig" wird: Die Windstärke und die daraus resultierende Kraft sind nicht konstant.

Das zweite Wichtige bei der Betrachtung der "high wind performance" der Kitesysteme ist das Verhalten beim Depowern an der Bar. Während der Tubekite sofort seinen Anstellwinkel verringert und das Flugtuch flattern lässt, wird die Matte erstmal schneller und fliegt weiter an den Windfensterrand heran, wo sich dann die freigegebene Kraft reduziert. Was machen wir als Piloten denn bei Überpower? Genau, wir drücken die Kante, was zu einem weiter gen WFR stehendem Kite führt. Wenn sich jetzt das Windfenster ändert (z.B. durch eine Böe), so reißt am Tubekite die Strömung kurz ab und das war es schon wieder. Bei der Matte wird diese erstmal weiter an den WFR getrieben, worauf hin sie nach der Böe plötzlich über das Ziel, also dem WFR, hinaus geschossen steht. Kurz gesagt: Sie hat uns "überflogen".

"Überflogen", was bedeutet das? Wenn der Kite über sein Windfenster hinaus geflogen ist und für uns gesehen im Luv steht. Klingt erstmal nicht gefährlich, aber es kann gefährlich werden. Hier sind jetzt die Entwickler der Kites gefordert, die nämlich designen, wie steif und stabil der Kite auch ohne Strömung und Leinenspannung stehen kann. Meist klappen die Tips ein, oder der Kite bekommt einen Frontstall. Der Wind drückt die Matte in aller Regel wieder ins Windfenster zurück, wo sich diese, meist in der Powerzone, wieder entfaltet und mit ordentlich Zug zurück an den WFR schießt. Macht alles nicht so Spaß, beim Fliegen weniger als beim Erklären.

Desweiteren gibt es noch ein Phänomen, welches bei Matten deutlicher wird als bei Tubes. Wenn der Wind auf die Anströmkante des Kites trifft, wird er nicht nur über das Profil weggeleitet, sondern auch noch gen Tip gelenkt. Das ist zwar nicht so gut für die Strömungseffizienz, aber umso besser für die Stabilität der Tips und natürlich des Kites selbst. Wenn die Strömung gen Tip geleitet wird, so ist deren Tendenz deutlich größer "offen" zu bleiben. Achte mal drauf, die meisten Racekites haben ausgelegt eine sehr gerade LE, und vergleiche das mal mit dem Shape eines Allrounders (z.B. Flysurfer Soul, Ozone Hyperlink). Diese sind recht oval an der LE und haben dafür eine sehr gerade TE.

Zum Thema "Outline" eines Softkites gibt es aber auch nochmal einen Techtalk.


Fassen wir mal zusammen:

Softkites kann man auch bei 30kn noch verhältnismäßig gut alleine Starten (kann trotzdem eine Rutschpartie werden, lass Dich dafür von einem Buddy besser am Trapez festhalten!). Beim Landen lässt sich nahezu jeder Passant kurz einweisen ("Greifen Sie bitte mal an das Ihnen nahe Flügelende und halten es sicher fest. Bitte nicht in eine Leine greifen, den Rest mache ich"), was beim Tubekite landen etwas schwerer ist. Das Bodenhandling ist etwas schwieriger bzw. erfordert etwas mehr Übung des Piloten. Eine Matte hat auch bei viel Wind deutlich mehr Leistung als ein Tube, so lassen sich die Böen zum richtig hohen Boosten auch gut nutzen.

Tubekites sind durch ihre steife Tube sehr resistent gegenüber den meisten Windturbulenzen, zudem lässt sich die Kraftreduktion schneller als bei einer Matte erreichen (Ausflattern) und Auslösen/Wiederstart/Selbstrettung ist auch einfacher zu machen; Das heißt aber nicht, dass es mit einer Matte nicht funktioniert, es benötigt nur deutlich mehr Erfahrung. Starten und Landen lässt sich der Tubekite über einen Fixpunkt und Leash auch gut allein, z.T. sogar einfacher als eine Matte.

Einen Softkite bei über 30kn zu fliegen ist also nicht unbedingt ein Hexenwerk, aber sollte den Fortgeschrittenen vorbehalten bleiben, da noch immer die Handlingsvorteile eines Tubekites überwiegen. Das muss man sich als Mattenfreak einfach eingestehen. Wer es aber raus hat und passende Bedingungen vorfindet, der kann sich mit einem Softkite unfassbar genial rausschießen, abartige Hangtimes genießen und das alles mit ermüdungsfreien geringen Barkräften.

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